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Asanas - Wendezeit für Körper & Geist

"Asana ist der Türrahmen des Bewusstwerdens"


Kurzfassung:

Asanas sind die Yoga Haltungen. Sie dienen traditionell der Vorbereitung für Meditation. Im Hatha Yoga bilden sie einen eigenständigen Zweig, um das Nervensystem zu regulieren. Ihre gesundheitsfördernde Wirkung gilt als wissenschaftlich bewiesen.


Asanas sind weltweit das Wahrzeichen von Yoga. Sie markieren meist den ersten Schritt auf dem Yoga Weg. Aber was genau sind Asanas? Mein erster Yoga Lehrer sagte einmal: „Als ich mit Asanas anfing, begann mein Körper zu blühen.“ Im Bihar Yoga bilden die Pawanmuktasanas „die Wind befreienden Asanas“, wobei Wind metaphorisch für Vitalität steht, den Anfang. Es sind einfache Übungen, die auch „die Grundschule der Achtsamkeit“ genannt werden oder "Akupunktur ohne Nadeln". Diese synchronisieren und balancieren Körper, Atem und Bewusstsein. So werden sie aufgeteilt in antirheumatische, verdauungsfördernde und Energieblockaden lösende Übungen.

 

Am Rande erwähnt...

Asana ist vermutlich das am häufigsten falsch ausgesprochenen Wort im Westen. Es wird am Anfang mit einem langen „A“ wie bei „Abend“ und das „S“ scharf ausgesprochen wie bei „nass“.

 

Die erste klassische Definition von "Asana" stammt vom Rishi Patanjali aus dem zweiten bis fünftes Jahrhundert v. Chr. Er fasste als erster schriftlich das System von Yoga in 195 Sutras zusammen und schrieb über Asanas: „sukham sthiram asanam“, was so viel bedeutet, wie: Ein Asana ist angenehm und fest. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass der Übende einen langen Zeitraum angenehm in einer Asana verharren können soll. Denn sie dient eigentlich der Meditation.

 

Erst in späteren Jahrhunderten entwickelte sich das raffinierte System von Hatha Yoga mit einer Vielzahl von Asanas. In der Hatha Yoga Pradipika von Swatmarama, einer klassischen Schrift aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, beispielsweise werden 84 Asanas beschrieben. Sie sind eine Auswahl wirkungsvoller Haltungen. In der Yoga Mythologie heißt es auch, es gäbe 8.400.000 Asanas, die für die Evolution des menschlichen Bewusstseins oder der Selbstverwirklichung des Menschen stehen. Auch im Standardwerk der Bihar School of Yoga "Asana Pranayama Mudra Bandha" von Swami Satyananda Saraswati gelten 84 Asanas als richtungsweisend.

 

Hatha Yoga steht für den Ausgleich. Hatha lässt sich als Ha „Sonne“ und Tha „Mond“ definieren. Sie stehen für die Polarität des Lebens. Auf neurologischer Ebene sprechen die Asans das autonome Nervensystem, den Sympathikus und Parasympathikus an – die Fähigkeit für Anspannung und Entspannung. Auf tieferer Ebene ist es die feinstoffliche Energie, Prana, die sich auf Energiebahnen im Körper bewegt und identisch mit dem Qi, der Lebensenergie aus der Traditionellen Chinesischen Medizin, Taiji oder Qi Gong ist. Die völlige Balance löst eine Reihe von körperlichen, energetischen und geistigen Effekten aus, die weit über das gewohnte Erleben hinausgehen. Dies wird auch in der Yoga Therapie genutzt. So heißt es z. B. in einer vom deutschen Ärzteblatt zitierten Meta-Studie: "Körperorientiertes Yoga mit den zentralen Bestandteilen Asanas und Pranayama stellt einen vielversprechenden komplementären Ansatz in der Behandlung psychischer Störungen dar, den es in weiteren qualitativ hochwertigen Studien zu untersuchen gilt."

 

Um länger bewegungslos für Meditation sitzen zu können, ohne Knie-, Hüft- oder Rückenschmerzen, welche die Erfahrung von Konzentration sabotieren können, ist ein entspannter Körper erforderlich. Dies induziert eine bestimmte, nicht alltägliche Bewusstheit, die neurobiologisch bedingt ist und trainiert werden kann. Um diese Konzentration, auch Dharana genannt, zu erfahren, ist eine besondere körperliche Unbewegtheit die Voraussetzung. Sie heißt Kaya Sthairhyam „die Festigkeit des Körpers“. Im Bihar Yoga gibt es eine Vorbereitung für Meditation gleichen Namens, die ebenso eine eigenständige Meditationsübung ist. Für Viele, die bislang erfolglos versucht haben zu meditieren, kann sie ein Meilenstein sein.

 

Wie sich jetzt vielleicht ersehen lässt, entfalten Asanas ihre tiefere Dimension, in einem größeren Kontext. So erklärt sich auch die Vielfalt an Yoga Perspektiven, vom Wellness bis zu einem bestimmten Lebensweg. Meine Yogalehrerin Swami Prakashananda, Acharya „Meisterin“ und ehemalige Leiterin des Satyananda Yoga Zentrums e. V. sowie des Ananda Verlags, fragte manchmal humorvoll zu Anfang einer Kurseinheit: „Wollt ihr Gymnastik oder Asanas?“ Ich kann mich nicht erinnern, dass sich die Teilnehmenden je für das erstere entschieden hätten.

 

Warum aber haben sich Asanas so schnell, innerhalb des letzten halben Jahrhunderts, über den ganzen Globus verbreitet? So sehr, dass sie sogar synonym für Yoga stehen, obwohl Yoga selbst im Grunde eine geistige Aktivität, eher in der Meditation verortet, ist. Eine Antwort könnte sein, dass der moderne Mensch die ausgleichende Kraft dieser Jahrtausende Disziplin braucht.

 

Die weit verbreitete Idee, der Körper sei eine Art Maschine, die Leistung bringen soll, ist wie mir scheint, ein Fluch. Diese Idee entstammt dem Descartschen Denkens, in dem Geist und Körper als getrennt betrachtet werden. Ich selbst bin vielleicht auch ein gutes Beispiel dafür. In meiner Jugend betrieb ich erfolgreich Leistungssport und hatte eine gewisse Kontrolle über den Körper gewonnen. Aber nicht selten war ich mit der Leistung unzufrieden. Selbst als ich durch übertriebenes Training krank wurde, gab ich meine strenge Haltung gegenüber meinem Körper nicht auf - nicht anzweifelnd, dass es vielleicht meine Einstellung sein könnte, mit der etwas nicht stimmte. Doch als ich mit den Prinzipien des Yoga in Kontakt kam, stellte sich meine Ansicht bezüglich eines gesunden und selbstbestimmten Lebens, nicht nur wegen des im Yoga bekannten Kopfstands, auf den Kopf.

 

So gesehen können Asanas ein Augenöffner sein. Sie bereiten den Boden für ein partnerschaftliches, wohlwollendes und gesundes Verhältnis zum Körper. Das Erfassen der engen Verbundenheit zwischen Körper und Geist wären ihre Früchte. Der Körper ist eben keine Maschine, sondern eine einzigartige lebendige Ganzheit, mit seinem ureigensten Geheimnis. Und der Ausblick reicht noch weiter. Asana ist ein dynamisches und kraftvolles Fach, aber streng genommen verdient es nur dann den Namen Asana, wenn es Teil der meditativen Reise der Selbsterkenntnis ist. Bewusstsein verkörpert sich in Asana und umgekehrt – so kann Asana eine echte Wendezeit markieren.

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