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Sei Königin! – Selbstverteidigung als Frauen-Empowerment

 

 "Sei Königin!"

 Dr. Masaaki Hatsumi

  Antwort von Hatsumi Sensei beim internationalen Bujinkan Kunoichi Taikai 2013 in Tokio,

auf die Frage, was das Wichtigste bei der Frauen-Selbstverteidigung sei.

 

Kurzfassung:

Gute Frauen-Selbstverteidigung stärkt nachhaltig das Selbstwertgefühl und die kreative Abwehrbereitschaft. Im Kern steht die Befreiung von inneren Blockaden aufgrund eines überkommenden gesellschaftlichen Stigmas, hin zur ursprünglichen Kraft der Frau.

 

Wenn frau sich mehr Selbstschutz und Wehrhaftigkeit wünscht, gibt es inzwischen ein vielfältiges Angebot für Frauen-Selbstverteidigung (Frauen-SV). Diese verspricht die Vermeidung und Abwehr von Angriffen auf die seelische und körperliche Unversehrtheit. Übergriffe manifestieren sich nicht selten als sexualisierte Gewalt. Daher sollte ein gutes Training mehrdimensional sein und die präventive, verbale, mentale als auch körperliche Ebene integrieren. Frauenpower ebnet sich ihren Weg zur Augenhöhe in einer patriarchal geprägten Gesellschaft a lá sagt er zur ihr „Du kämpfst wie ein Mädchen“, sagt sie zu ihm „Wenn du dich anstrengst, schaffst du das vielleicht auch!“

 

Gewalt ist fast immer männlich

Was verraten die Zahlen über Gewalt gegen Frauen? Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) sind 85% der Tatverdächtigen von leichter, schwerer und gefährlicher Körperverletzung männlich. Die weit überwiegende Anzahl der Täter sind Bekannte, Freunde, Verwandte und Beziehungspartner. Jede dritte Frau hat physische Gewalt erlebt und jede siebte sexualisierte Gewalt. Bei jeder vierten ist der Täter der aktuelle oder frühere Partner. Auf das Jahr gerechnet ermordet in Deutschland fast täglich ein Partner oder Ex-Partner seine Frau, Ex-Frau oder Freundin.

 

"Recht braucht Unrecht nicht zu weichen"

Was gilt rechtlich für eine Frau, die sich wehrt? Grundsätzlich dasselbe wie für Männer! Ein Leitsatz aus dem noch heute gültigen römischen Recht für Notwehr lautet Vim vi repellere licet zu Deutsch „Gewalt darf mit Gewalt erwidert werden“. Für die Abwehr ist also jedes Mittel gestattet, wobei das Mildeste gewählt werden sollte – aber nicht muss. Dabei braucht die Verteidigerin nicht die körperlichen Folgen, z. B. Verletzungen für den Täter, abzuwägen. Ebenso braucht ihr eine Flucht nicht zugemutet zu werden.

Vielleicht am Rande interessant: Gerechtigkeit im alten Rom wurde durch die Göttin Justitia symbolisiert – eine Frau.

 

Zuerst Kriegerin

Sheila Haddad, eine international anerkannte Selbstverteidigungsexpertin und langjährige Schülerin von Großmeister Hatsumi, rät Frauen in ihren Kursen: "Warriorness first!" – Sei zuerst Kriegern! Sie führt aus, dass Frauen sich bei einem akuten Übergriff als Mütter, Ehefrauen, Töchter identifizierten, aber nicht als „Kriegerinnen“. Das führe dazu, dass diese sich weniger wehren. Dabei zeigen Studien,dass über 90% der Angreifer von sexualisierter Gewalt ablassen, wenn frau sich wehrt. Hingegen kämpfen Frauen wie Löwinnen, wenn die Unversehrtheit der eigenen Kinder bedroht ist.

 

Die innere Saboteurin

Soziologische Forschungen haben festgestellt, dass ein Grund für die verhältnismäßig starke Zurückhaltung bei einem Übergriff in der langen patriarchalen Geschichte der Unterdrückung der Frau zu suchen ist. Sich nicht zu wehren ist eine Haltung der Unterwerfung und des Überlebens. Dies manifestiert sich in unguten inneren Haltungen. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich das kann!" ist ein Satz, den ich häufig im Kurs höre, wenn Teilnehmerinnen sich das erste Mal ihrer körperlichen Kraft bewusst werden, z. B. beim Training mit Schlagpolstern oder beim Zertrümmern eines Bretts.

Auch heute noch zeigen Studien international, dass Frauen sozialisationsbedingt weniger Vertrauen in die eigenen körperlichen Kräfte haben.

"Mädchen tun das nicht!" erinnere ich mich eine Mutter zu ihrer fünfjährigen Tochter sagen beim Anblick von zwei auf dem Boden raufenden Jungs. Hinzu kommt, dass sich nicht wenige Frauen im Fall einer Attacke in Schuldzuschreibungen verwickeln, wie z. B. das unheilvolle "Du bist doch selber Schuld". Weitere Erschwernisse sind negative Glaubenssätze: dass die Betroffene nicht könne, zu schwach sei, es nicht hätte sagen/tun/denken sollen.

Hilfreich wirken positive Affirmationen wie "Ich kann das", "Ich bin stark" und "Ich werde kämpfen wie eine Tigerin" – sowie eine Erziehung, die Vertrauen in die eigenen körperlichen Kräfte schenkt.

 

Kampfsport ist keine Selbstverteidigung

Manch eine mag denken, dass es eine gute Idee sei, mit Kampfsport zu beginnen, um sich besser zu verteidigen. Jedoch sollten hier nicht Birnen mit Äpfeln verwechselt werden.

Im Unterschied zum Kampfsport, in der Gewichts- und Altersklassen eine sportliche Fairness gewährleisten, ist bei Selbstverteidigung keine Instanz, wie Kampfrichter, Publikum oder Regelwerk vorhanden, die darüber wacht. Es ist ein bedrohlicher Raum, in dem alles möglich ist. Es ist notwendig, von einem Gegner auszugehen, der genau diese Regellosigkeit nutzt, um zu überrumpeln. Nicht selten gehen die Täter von ihrer völligen Macht über die Betroffene aus. Meist ist die subjektive Stärke mit Gewicht, Kampfsporterfahrung, mehreren Tätern und Alkohol gekoppelt. Oft hat der Aggressor einen Plan über Ort, Zeit und Gegenwehr seines Opfers – was ein erheblicher Vorteil ist.

Kampfkünste, die sich auf Selbstverteidigung spezialisiert haben oder eigens für Frauen-SV spezialisierte Stile bieten ein zielgerichtetes Training – es geht eben nicht um den fairen Wettkampf, sondern ums Überleben. Weitere Inhalte, die Selbstverteidigung von Kampfsport unterscheiden, wären Selbstbehauptung, Deeskalation, Hilfemethoden, Blend-, Abwehr- und Verteidigungstechniken, Flucht sowie eine nachträgliche Sorge, um etwaigen posttraumatischen Einflüssen zu vorzubeugen.

 

Mythos: Größe

Offenbar scheinen nicht wenige zu glauben, dass der physische Größenunterschied zwischen Mann und Frau, gerade mal durchschnittlich 14 Zentimeter, einen entscheidenden Unterschied darstelle.

Die Menschheitsgeschichte zeigt hingegen: Der weibliche Sieg über einen kräftemäßig überlegenen Gegner ist keine Seltenheit, wie z. B. die siebzehnjährige Johanna von Orléans, die vom Pfeil getroffen und vom Pferd geworfen, weiter auf dem Schlachtfeld blieb und eine ganze Schlacht für sich zu entschied.

Ich selbst sah einmal eine kleine Frau einen etwa 130 kg schweren Kampfkunstlehrer werfen. Dieser meinte später, dass sie die einzige gewesen sei, die das jemals geschafft habe.

Frauen werden als Vorbilder oft hochgeschätzt. Bujinkan Budo Taijutsu beispielsweise und andere Kampfkunstsysteme berufen sich auf Frauen als ihre Schöpferinnen.

Meiner Erfahrung nach spielt körperliche Größe allein kaum wirklich eine Rolle in der Selbstverteidigung. Im Gegenteil: Die vermeintlich weibliche Unterlegenheit kann ein Trumpf im Ärmel sein.

 

Den Zepter bewahren

Was also wäre also der Dreh- und Angelpunkt einer drohenden Selbstverteidigung? Um das zu beantworten, kann frau das wesentliche Motiv einer Attacke beleuchten. Das Ziel vieler Täter ist es, das Opfer zu überraschen. Daher ist die verlässlichste Verbündete dagegen: die Achtsamkeit. Das frühe "Kommen sehen" schafft die beste Voraussetzung für ein erfolgreiches Gegenmanöver. So kann die lähmende und ohnmächtig machende Wirkung des Überraschungseffektes neutralisiert werden. Das wiederum öffnet Hof und Tür für Angriff, Abwehr und Flucht. Achtsamkeit, denke ich, ist das Zepter, um im Vollbesitz der mentalen und körperlichen Reaktionskräfte zu bleiben.

 

Sei Königin

„Wie wehre ich einen potenziellen Täter ab?“ wäre eine wichtige Frage. Wer die Taktiken von Grapschern, Belästigern, Dickpic-Zeigern und anderen frühzeitig aufdeckt und dagegen steuert, hat die besten Chancen, es gar nicht erst zu einer Eskalation kommen zu lassen.

Gewalttäter handeln nach fast immer ähnlichen Mustern. Sie suchen und isolieren Frauen, die durch nonverbale Signale, wie Körperhaltung, Gestik, Mimik, Tonfall Unsicherheit ausstrahlen. Durch erste Annäherung versuchen sie, die Betroffene einzuschüchtern. Dabei prüfen sie, ob es zu Widerstand kommt oder versucht wird, Hilfe zu rufen. In dem Fall, lassen die meisten von ihrem unguten Vorhaben ab. Einige bewährte Tipps, um potenzielle Angreifer abzuschrecken wären: Furchtlosigkeit zeigen, Blickkontakt bewahren oder zur Seite blicken, aufrechte Haltung, breiter Stand und laute Stimme. Vereinfacht gesagt: Selbstbewusstsein schreckt die meisten bösen Jungs ab.

 

Unterschiede im Kampf von Mann und Frau

Gibt es einen Unterschied wie sich Gewalt gegen Frauen zeigt? Zunächst: Gewalt ist Gewalt. Sie zeigt jedoch mitunter geschlechterspezifisch unterschiedliche Gesichter. Zum "Hahnenkampf" wie er bei „echten Kerlen“ oft beobachtet wird, z. B. um das Gesicht zu wahren, die Ehre zu verteidigen oder einfach "nicht den Schwanz" einzuziehen, kommt es bei Frauen eher unoft. Aber es wäre vielleicht klug, diesen männlichen Zug zu berücksichtigen, um dem Täter die Möglichkeit zu geben, sich auf „männliche Art“ zurückzuziehen.

"Frauen schlägt man nicht" lautet ein vermeintlich ritterlicher Spruch, der sich bei näherer Betrachtung als chauvinistisch entpuppt. Es lässt sich jedoch sagen, dass Frauen öfter „begrapscht“, „betatscht“ und festgehalten werden als Männer. Das verändert auch eine angemessene Verteidigung gegen diese Form der Zudringlichkeit.

 

Hilfe finden

Was könnte frau tun, wenn eine Eskalation naht? Eine Möglichkeit wäre: Bündnisse schließen, Pläne schmieden und Aufmerksamkeit erzeugen. Konkret könnte das bedeuten, andere Menschen, miteinzubeziehen, indem frau diese anspricht. Dabei hat sich gezeigt, dass das direkte Ansprechen, beste Erfolgschancen für Hilfe bietet. So könnte frau z. B. sagen: „Hallo sie, mit der blauen Jacke, bitten helfen sie mir!“ oder „Hey du mit dem roten Pulli, ruf die Polizei!“. Eine andere Möglichkeit wäre, eine Vertrauensperson via Smartphone anzurufen. Eventuell ist ein unauffällig geschossenes Foto und/oder Video eine gute Möglichkeit, um die Situation zu dokumentieren. Im Zweifelsfrei gilt: Die Polizei anrufen. Überraschenderweise scheuen sich Frauen als auch Männer davor, den ‚Freund und Helfer‘ zu rufen. Glücklicherweise sind inzwischen 20% der Polizisten weiblich, Tendenz steigend. Gedanken wie ‚Die haben bestimmt Wichtigeres zu tun…‘ oder ‚Die halten mich vielleicht für überängstlich…‘ sollten eine nicht davon abhalten, vorausschauend für die persönliche Sicherheit zu sorgen. Sollte anhaltend Verunsicherung bestehen, wird der Betroffene von Beamten im Gespräch in der Regel über das bestmögliche Vorgehen informiert. Wer den Anruf bei der Polizei scheut, kann z. B. auch den Frauennotruf wählen in Hannover unter 0511-332112 oder bundesweit das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter 08000 116 016, wo qualifizierte Beraterinnen einer zur Seite stehen.

 

Spiele Närrin

Was tun, wenn eine Eskalation unvermeidlich wird? Eine Guerillaweisheit lautet: Der Sieg liegt nicht im offenen Feld. In der Frauen-SV richtet sich ein stärkeres Augenmerk aufs Täuschen. Dazu gehören Lügen, Vorspiegeln falscher Tatsachen und Drohen, was Frauen tendenziell eh besser beherrschen als Männer. Simulieren von: Stärke, Krankheiten, Verlässlichkeit, Warten auf Hilfe, Zustimmung, Unterwerfung oder psychischen Störungen haben Betroffenen in bedrohlichen Situationen geholfen.

Für psychologisch Interessierte als Randnotiz: Compliance des Opfers kann den Täter blind machen. Oder anders gesagt: Überheblichkeit macht dumm – der Weg für eine Überraschungsattacke ist gebahnt. Selbst der Stärkste kann besiegt werden, wenn er überrascht wird. Neurobiologisch betrachtet fällt der Überraschte dabei in eine vorübergehende Paralyse, einer Vorphase der Kampf-Flucht Reaktion. Diese kann physiologisch bedingt bis zu zwanzig Sekunden andauern. Währenddessen kann sich das Selbstbild des Angreifers augenblicklich in ein "Häufchen Elend" verwandeln.

Bei einem nichtabwendbaren oder gegenwärtigen Angriff gälte auch "Greife an, wenn er es am wenigsten erwartet. Überrasche ihn, egal wie. Schlage so, dass er es nicht kommen sieht. Nutze, was du kannst als Waffe. Verteidige dich bis er nicht mehr angreifen kann. Bringe dich in Sicherheit."

 

Werde Magierin

Wohin schlagen oder treten wenn er’s verdient? Dazu gäbe es verschiedene Ansätze. Es gilt: Effektiv ist was hilft. Ein Gedanke wäre: Wenn ein Täter nach einem K. O. meint "Ich habe den Schlag überhaupt nicht kommen sehen!" war das ein perfekter Treffer. Das Motto lautet also: Schlage verdeckt. Schlage wohin er es nicht sieht, ähnlich einer Illusionistin, welche die Aufmerksamkeit des Publikums vor dem "Zaubertrick" sorgfältig manipuliert. Chancen sind z. B. bestimmte Phrasen, Gestik, Handlungen. Es erinnert an das Kinderspiel "Du hast da was", bei dem ein Finger auf die Brust des anderen deutet und du hoch schlägst, wenn der andere guckt.

Fast wie eine Binsenweisheit klingt es, den Gegner so zu treffen, dass er es nicht kommen sieht, z. B. von hinten oder von der Seite und wenn frau nah genug steht: auch von unten oder oben. Der Clou wäre in diese überlegene Position mithilfe des Aggressors zu gelangen.

Der Angriff selbst sollte mit ganzer Kraft erfolgen. Genauigkeit ist dabei weniger wesentlich als Härte und Schnelligkeit. Box-Studien zeigen, dass sich bei zunehmenden Präzisionswillen die Trefferkraft verringert. Bei Inkaufnahme einer gewissen Ungenauigkeit kann also maximale Power entfesselt werden.

Und wenn beim ersten Schlag noch nicht die gewünschte Wirkung erzielt wurde, sollte frau es wie die Profis halten: Weitermachen. Ein Lucky Punch geht immer.

 

Waffen

Sollte die Lage aussichtslos erscheinen, stellt sich spätestens dann die Frage nach Verstärkung. Sollten sich keine Hilfe in der Not finden, kommt einer natürlich der Gedanke an eine Waffe. Der Oberkommissar und Schießtrainer J. Böhme sagte einmal augenzwinkernd "Der Revolver ist die Gleichberechtigung der Frau im Kampf".

Waffen stellen für nicht wenige Frauen eine nicht unerhebliche Schwelle dar. Eine Schusswaffe ist natürlich nur für Waffenscheininhaber, die ein notwendiges Bedürfnis nachweisen können, wie z. B. Staatsanwältinnen, Richterinnen und Polizistinnen, möglich.

Freiverfügbare legale Waffen wie z. B. Schreckschusspistole, Pfefferspray oder Elektroschocker, aber – und hier gilt eine Ausnahme – auch illegale Waffen wären bei Notwehr straffrei einsetzbar. Vermutlich wichtig er jedoch ist es, Alltagsgegenstände nutzen zu lernen: vom Handspiegel bis zur gefüllten Handtasche.

Ein Trend ist Schmuck, der als Waffe, z. B. als Schlagring, verwendet werden kann und gleichzeitig einen Taschenalarm auslöst sowie digital eine Vertrauensperson benachrichtigt. Oft werden solche Produkte von engagierten Frauen vertrieben, die für das Thema sensibilisieren wollen.

Der große Vorteil von Waffen ist: Mit Training wird jede Frau zu einer furchtbaren Gegnerin. Gleichzeitig sollte frau sich nicht abhängig davon machen – der kluge Frauenverstand bleibt die mächtigste Waffe.

 

Tipps:

https://thecliquesuite.com/knockout-schmuck-zur-selbstverteidigung-2

https://www.notjustajewel.eu/

 

Helferin in der Not

Was gäbe es zu bedenken, wenn eine Frau einer anderen oder einem anderen in Not helfen wollte? Zunächst ließe sich sagen, dass Frauen sich sozialer verhalten als Männer, das zeigt auch eine aktuellere Studie der der Universität Zürich/Schweiz 2017, da das Belohnungssystem dabei stärker aktiviert wird. Aus persönlicher Beobachtung und Erfahrung heraus kann ich bestätigen, dass Frauen erstaunlich oft in explosiven Situationen eingriffen und so manche Männer vor großen Dummheiten bewahrten – ziemlich mutig. Dabei ließ sich das hochentwickelte Schlichtungs- und Deeskalationsverhalten beobachten, beispielsweise indem sie den Aggressor offen ansprachen oder sich um die oder den Betroffenen kümmerten. Einige Besonderheiten waren beispielsweise: Sie brachten deutlich ihre Sorge zum Ausdruck, vermieden es zu beleidigen, sagten jedoch offen ihre Meinung, zeigten Mitgefühl mit beiden und drohten angemessen, ohne dabei physische Gewalt zu meinen. Der Fokus lag auf Deeskalation. Zum Vergleich: Männer tendieren dazu zu provozieren, abzuwerten, beleidigen oder zu drohen. Nicht selten verwickeln sie sich dabei leider selbst in eine handfeste Klopperei, mitunter weil plötzlich die eigene Männlichkeit bedroht gewähnt wird (als stünde „Männlichkeit“ auf der roten Liste für vom Aussterben bedrohte Arten) – was bei nicht wenigen Frauen Heiterkeit oder befremdliches Achselzucken auslösen kann.

 

Schwarze Schafe

Auch auf dem Frauen-SV-Markt gibt es schwarze Schafe. Drum prüfe, wer sich bindet. Eine genauer Vergleich der Angebote, der Homepages, des Ortes und am besten eine persönliche Kontaktaufnahme bietet eine optimale Transparenz. 

Aus meiner Sicht sollte ein SV-Kurs für Frauen die gesellschaftliche und psychologische Ebene berücksichtigen. Unerheblich ist, ob der Kursleiter männlich oder weiblich ist. Wichtig ist die Distanz und Klarheit gegenüber eigenen Geschlechterklischees. Eine neugierige, vorurteilsfreie und offene Haltung á la „Nimm was dir nützt, verwirf was unnütz ist“ wäre eine sinnige Antwort auf die Frage, welche Gestalt die Selbstverteidigung annehmen sollte.

Kritisch zu sehen wären Angebote, die unterschwellig die patriarchale Unterwerfungskultur widerspiegeln, wo der Trainer suggeriert er wisse alles und könne alles. So manches Frauen-SV-Youtube Video, meist von männlichen Trainern geleitet, so scheint mir, übersieht leider nicht selten die weiblichen Ressourcen, welche die Teilnehmerinnen in einen Kurs mitbringen. Dabei sollten diese ihre Würdigung erhalten und ebenfalls ihren Platz auf dem Thron einer kreativen und intuitiven Frauen-SV einnehmen.

Aus meiner Sicht IST jede Frau ihre eigene, einzigartige und unverwechselbare Selbstverteidigung, frei nach dem Wahlspruch: Die beste Selbstverteidigung bist du selbst.

 

Gut Ding will Weile

Um Selbstverteidigung zu lernen, braucht es kein jahrelanges Training. Schon das Umsetzen von einigen wenigen Grundsätzen kann die Sicherheit nachhaltig erhöhen. Bücher oder Videos sind gute Hilfen, können aber nicht die Expertise von Lehrenden ersetzen und noch weniger die wichtige Selbsterfahrungen im Rollenspiel und Training mit anderen. Daher empfehle ich klar, dass Inhalte persönlich vermittelt werden sollten – auf freundlicher Augenhöhe.

Auch mache ich in meinen Kursen immer wieder die Erfahrung, dass Teilnehmerinnen selbst erfrischende und lehrreiche Impulse mitbringen, die durch eine offene, gewaltfreie Atmosphäre an die Oberfläche kommen. So können vermeintliche „Schwächen“ offenbart werden. Dabei sind es oft diese, die sich als die größten Schätze entpuppen.

Wer eine Trainerin oder Expertin werden möchte, der sollte sich jedoch einem systematischen, wie in jeder ordentlichen Ausbildung auch, jahrelangen Entwicklung widmen – mit Freude an der Materie. Selbstverteidigung ist komplex und kann verschiedenste Rollen mit sich bringen: sozusagen von der „Närrin“ zur „Kriegerin“, über die „Königin“, schließlich zur „Magierin“. Seine Fähigkeiten zu schulen ist wie das Wachsen einer Eiche – es braucht Zeit. Ein guter Kurs kann Anstoß und Begleitung sein auf diesem Weg.

 

Abschließende Worte

Zum Schluss kommt mir: Frauen-SV ähnelt dem Kampf David gegen Goliath – nur dass er eine Heldin ist. Mit Klugheit und Mut bewaffnet gewinnt die vermeintlich schwächere. Das steht auch für den Sieg des Geistes über rohe Gewalt. Toshitsugu Takamatsu Uou O Sensei, ein schon länger verstorbener Kampfkunstmeister und "last real Ninja", schrieb einst, dass Frauen-Selbstverteidigung und Abwehr eines bewaffneten Angreifers die höchste Form der Kampfkunst seien. Daran dürfte sich bis heute vermutlich kaum etwas geändert haben.

Der interessierten Leserin würde ich zum Abschluss mit auf ihren Weg geben: Sei die Frau, vor der sich dein Angreifer am meisten fürchtet.

 

Nützliche Telefonnummern

0511-332112 Frauen Notruf Hannover

08000 116 016 Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“

110 Notruf der Polizei

112 Notruf der Feuerwehr & Rettungsdienst

 

Hinweis:

Bei Interesse an Einzelstunden oder Kursen "Sei Königin! Selbstverteidigung für Frauen" rufe an unter 0172-2885894 oder schreibe eine Mail an kontakt@eiryu.de

 

Quellen:

- Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2020 https://bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/pks_node.html

- Studie im Auftrag des Familienministeriums, https://bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/haeusliche-gewalt, 2020

- kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e. V., https://kfn.de/

- The Essence of Budo: The Secret Teachings of the Grandmaster, von Dr. Masaaki Hatsumi, 2012, https://bujinkan.com

- Living the Way, von Sheila Haddad Dai Shihan, https://livingtheway.com

- Kunoichi Taikai 2013, https://queststation.com/quest-e/products_dvd/e_SPD-7042.html

 

"Mach nicht den Fehler, den Wunsch Gewalt zu vermeiden mit der Unfähigkeit damit umzugehen zu verwechseln."

Wonderwoman

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