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Baduanjin – 8 Brokate

„Alle Krankheit hängt zusammen mit dem Zustand des Qi.“
Huangdi Nei Jing
(„das Buch des gelben Kaisers“, ca. 2000 Jahre alt)

Zusammenfassung: Baduanjin, die 8 Brokate, sind acht Übungen aus dem Qigong. Sie sind einfach, systematisch und wirken gesundheitsfördernd. Sie sind Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM).

 

Baduanjin, die 8 Brokate, sind Übungen aus dem Qigong. Sie fördern das Qi, die feinstoffliche Energie, und die Gesundheit. Der Begriff Baduanjin, besteht aus den Zeichen für Ba „Acht“ und Duanjin „Brokate“, was die Art der Bewegung beschreibt: sich wie Seide bewegen. Die Übungen wurden erstmals in einer archaischen Form in „Dreh- und Angelpunkt des Weges“ Dao Shi ca. 1150 n. Chr. in der Song-Dynastie (960–1279) beschrieben.

 

Die 8 Brokate erfreuen sich heutzutage außerordentlicher Beliebtheit. Sie bilden eine systematische Zusammenstellung chinesischer Gesundheitsübungen. Gleichzeitig dienen sie als Basisübungen für Qigong, Taiji und Shaolin Kung-Fu. Nicht wenige verbinden sie mit Yoga. Sie können hilfreich für die Vitalität, Entspannung und das Wohlbefinden sein. Ebenso sind sie nützlich, um das Körpergefühl zu vertiefen und einen Weg zur Meditation zu ebnen. In Deutschland sind sie als Gesundheitsprävention anerkannt und von den gesetzlichen Krankenkassen als förderungswürdig eingestuft worden.

 

Meist wird die Übung im Stehen ausgeführt. Alternativ kann Baduanjin auch im Sitzen ausgeführt werden, welches ebenso eine tradierte Form ist und für den sitzenden Mensch von Heute von besonderem Interesse sein kann.
Untrennbar verknüpft ist Baduanjin mit einem ganzheitlichen Verstehen. Das Tao „Der Weg“, Laozis Lehre vom Ineinanderverwoben-Sein aller Dinge, ist seine geistige Heimat. Die energetische Sicht auf den Menschen ist ihr Kennzeichen, ebenso wie das Streben nach Harmonie und Verbundenheit mit der Natur. So heißt es: „Wenn das Qi frei fließt, gibt es nichts, das nicht unmöglich wäre“ (Huang Di Neijing).

 

Dazu hat die TCM ein detailliertes System entwickelt, das die körperliche, energetische und geistige Ebene miteinander verbindet. Darin liegt sein größter Gewinn – im Zusammenfassen von Körper, Emotionen und Seele. Dabei spielen die Lehre von den Energiebahnen (Jingluo) und den Organen (Zangfu) sowie die fünf Wandlungsphasen (Wu Xi) eine besondere Rolle. Sie bilden eine Grundlage, um gesundheitsfördernde Prozesse und Krankheiten zu beschreiben. Die Meridiane und das Empfinden von Qi sind dabei Mittler zwischen der körperlichen und mentalen Ebene. Sie beschreiben detailreich Empfindungen und Emotionen und ihre Beziehung zum Körper. Sie drücken aus, dass alles im Menschen miteinander verbunden ist.

 

Diese Medizin orientiert sich stärker am subjektiven Ausdruck der Symptome und dem Therapieren als an einer manchmal zeitaufwändigen Diagnose. Das Pragmatische am Lindern oder Heilen steht im Zentrum. Der Satz: Wer heilt, hat recht, entspräche hier besonders der chinesischen Denkweise. Hinzukommt, dass die Beziehung zum Therapeuten und die gemeinsame Arbeit an der Gesundheit ein stärkeres Gewicht bekommen. Für ein gutes Therapieren werden eine gesunde Ernährung, Kräuterkunde und Lebensführung ebenso miteinbezogen.

 

Die acht Übungen
Die acht Brokate beginnen und enden in der Regel mit einer Verneigung, als Anerkennung für die Verbindung zur Lehre und zum Lehrenden, häufig während eines Gruppenunterrichts. Wenn allein geübt wird, kann darauf verzichtet werden. Ebenso hilfreich ist ein meditatives Innehalten am Anfang und am Ende, oder die Stehmeditation (Zhànlì míngxiǎn), die traditionell der Wahrnehmung und Visualisierung der körperlich-geistigen Mitte (unteres Tantien) gewidmet ist.

 

Die Übungen beinhalten verschiedene Streck-, Beuge- und Kräftigungsübungen, die mit dem Atem sowie der Visualisierung und Wahrnehmung von Qi gekoppelt wird. Dabei geht Baduanjin systematisch, von einfachen zu komplexeren Bewegungen vor, in denen das Visualisieren, z. B. „Himmel und Erde verbinden“ oder „Mit den Augen funkeln und den Fäusten zustoßen“ verwendet werden kann, um eine psychodynamische Wirkung zu wecken.

 

Die Wirkungen werden als wohltuend, beruhigend, energetisierend beschrieben. Das Skelett, Gelenke, Sehnen, Muskeln, Bänder, Faszien und Organe werden sanft tonisiert. Ausgeglichenheit und Ruhe können geweckt werden und sich ausdehnen. So kann das Nervensystem ausgeglichen und das Kreislaufsystem gekräftigt werden. Die Verdauung wird gefördert. Die Bewegungen wirken präventiv auf degenerative Erkrankungen und können aufgrund ihrer Behutsamkeit auch eingesetzt werden bei rheumatischen Erkrankungen sowie Burnout und Depressionen.

 

Für Sportler bietet Baduanjin ein ausgleichendes Set. Dies kann als Warm-Up oder Cool-Down verwendet werden, je nach dem in welcher Intention es geübt wird. Es kann als Rehabilitationsübung bei Verspannungen, leichten Zerrungen, Fasziendistorsionen oder Gelenkproblemen verwendet werden. Für Kampfsportler, die eine Möglichkeit Rehabilitation und Körpergefühl miteinander zu verbinden ist Baduanjin ideal. Leichte Verletzungen oder Erschöpfungszustände, die z. B. durch Sparring, lassen sich gut eigenständig therapieren. Dabei gilt: Es sollte angenehm sein, Wohlbefinden einladen und Anstrengung vermeiden. Das kann manchmal für Wettkampf orientierten Sportler eine Herausforderung sein.

 

Ein Vorteil ist, dass alles im Stehen ausgeführt werden kann. Es kann fast überall geübt werden. Eine besondere Bekleidung oder Ausrüstung ist nicht erforderlich. Bezüglich des Alters gibt es keine Einschränkungen. Ein guter Ort ist im Freien, in einem Park, an einem Fluss oder auf einer Wiese, unter Bäumen oder Zuhause vor einem offenen Fenster. Der Fantasie sind fast keine Grenzen gesetzt. Die langsamen fließenden Übungen fügen sich harmonisch in die Umgebung ein. Sie haben einen friedlichen Charakter. In einer Gruppe kann sich der soziale Aspekt vertiefen – gemeinsam etwas für die Gesundheit zu tun.

 

Trance – die hypnosystemische Bereicherung
Ein nicht oft beschriebener Effekt von Baduanjin ist das Erzeugen einer Gesundheitstrance. Mithilfe der langsamen fließenden, sich wiederholenden Bewegungen, dem Fokus auf den Atem und dem Visualisieren lassen sich veränderte Bewusstseinszustände einladen. In der Hypnotherapie finden sich zahlreiche Berichte, in denen Festgefahrenes, durch gutes Visualisieren, Aufstellen und Konfrontieren wieder in Gang kommen kann. Ungewöhnliche Lösungen werden zugänglich, in dem das kluge Unbewusste eingeladen wird. So kann über den Körper und der Bewegung ein Weg eingeschlagen werden, um psychische Themen anzugehen. Damit passt Baduanjin in den Trend der körperorientierten Psychotherapie. Diese Form sollte selbstverständlich von entsprechend geschulten Therapeuten vermittelt werden.

 

Die acht Übungen sind:

  1. Mit beiden Händen Himmel & Sānjiāo stützen
  2. Den Bogen spannen & auf den Adler zielen (Zuǒyòukāigōng shì shè diāo)
  3. Milz/Pankreas & Magen mit erhobenen Armen regulieren (Tiáolǐ píwèi shuāng bì jǔ)
  4. Zurückschauen und die 5 Belastungen & 7 Kümmernisse vertreiben (Wǔ láo qī shāng xiàng hòu qiáo)
  5. Kopf & Schwanz wiegen, um Herzfeuer zu beruhigen (Yáotóubǎiwěi qù xīn huǒ)
  6. Tief beugen, Niere & Hüfte stärken (Liǎngshǒu pān zú gù shèn yāo)
  7. Mit den Augen funkeln & mit den Fäusten zustoßen (Zǎn quán nùmù zēng qìlì)
  8. Siebenmal heben, 100 Krankheiten vertreiben (Bèihòu qī diān bǎi bìng xiāo)

Das erste Duanjin heißt Shuāngshǒu tuō tiānlǐ sānjiāo und bedeutet: Mit beiden Händen Himmel und Sanjiao, den dreifachen Erwärmer stützen. Dabei streckt man den ganzen Körper zum Himmel. Alle Gelenke werden gedehnt und die Wirbelsäule auf eine Achse gezogen. Der Sanjiao ist ein Energieweg, der die Energieregionen von Unterleib, Leibesmitte und Oberkörper beschreibt. Diese Übung kann die inneren Räume öffnen und sie in Bezug zum Himmelsraum setzen.

 

Das zweite Duanjin nennt sich Zuǒyòukāigōng shì shè diāo und heißt übersetzt: Den Bogen spannen & auf den Adler zielen. Hier kann imaginiert werden, auf einem Pferd sitzend, das Zielen mit einem Bogen. Die Beine und der untere Rumpf werden gekräftigt und gedehnt. Die Funktionskreise Herz, Dünndarm, Dickdarm und Lunge werden stimuliert und deren Meridiane. Dieses Duanjin kann Kraft, Ausdauer und die Konzentration fördern.

 

Das dritte Duanjin trägt den Namen Tiáolǐ píwèi shuāng bì jǔ und lässt sich übersetzen mit: Milz/Pankreas & Magen mit erhobenen Armen regulieren. Die Arme werden dabei im Wechsel gehoben und gesenkt. Sie können auch gegenläufige Kreise beschreiben und so dem Zeichen für Yin und Yang nachempfunden werden. Arme und die Seiten des Rumpfes werden belebt. Die Funktionskreise der oben genannten Organe und deren Meridiane können so von Blockaden befreit werden. Laut TCM begünstigt diese Übung die Mitte und Verbundenheit zur Erde.

 

Das vierte Duanjin heißt Wǔ láo qī shāng xiàng hòu qiáo und heißt: Zurückschauen und die 5 Belastungen & 7 Kümmernisse vertreiben. Mit den fünf Belastungen sind die fünf klimatischen Einflüsse, auch Exzesse gemeint, wie z. B. Kälte, Hitze, Trockenheit und Feuchtigkeit. Die 7 Kümmernisse sind sieben die Grundemotionen nach der Chinesichen Medizin, wie z. B. übermäßige Freude, sich sorgen, Traurigkeit und Zorn. Bei dieser Übung wird der Herzraum ausgedehnt, die Halswirbelsäule gedreht und die Schultern von Spannungen gelöst.

 

Das fünfte Duanjin wird Yáotóubǎiwěi qù xīn huǒ genannt, was so viel bedeutet wie: Kopf & Schwanz wiegen, um Herzfeuer zu beruhigen. In dieser Übung wird die ganze Wirbelsäule wie eine Spirale bewegt. Es ist vielleicht die komplexeste Bewegung. Erst von unten beginnend und nach aufwärts steigend werden die Strukturen rund um die Wirbelsäule wie Spinalmuskeln, Bänder, Faszien, Wirbelkörper, Bandscheiben und Rückenmark mobilisiert. Dabei wiegen sich Kopf und Schwanz. Es ähnelt der Bewegung eines chinesischen Drachens, der als Glückssymbol gilt. Das Nervensystem kann so harmonisiert werden. Überschießende oder zurückgehaltene Emotionen erhalten so eine Möglichkeit der Transformation.

 

Das sechste Brokat hat den Namen Liǎngshǒu pān zú gù shèn yāo und kann übersetzt werden mit: Tief beugen, Niere & Hüfte stärken. In diesem Duanjin wird die Wirbelsäule nach hinten und nach vorn gebeugt. Dies kommt dem Rücken sowie Bauch und Brust zugute. Ein Strecken der Rückseiten der Beine kann diese zur Verkürzungen neigende Bereich lockern und lösen und auf Dauer verlängern. Die integrierte Umkehrhaltung, der Kopf ist niedriger als der Rumpf induziert eine höhere Durchblutung des Gehirns und kann zu einer vaskulären Entspannung führen.

 

Das siebte Brokat ist Zǎn quán nùmù zēng qìlì, was bedeutet: Mit den Augen funkeln & mit den Fäusten zustoßen. Hier bewegt sich der Übende erneut im Reitersitz. Gleichzeitig führt er Fauststöße aus. Dies kräftigt den ganzen Körper. Dabei kann visualisiert werden, das Qi zu sich in den Speicher seiner Mitte zu ziehen. Zorn, Aggressionen und Ärger können auf diese Weise zum Ausdruck gebracht und ihren lähmenden oder obsessiven Einfluss verlieren. Das Selbstbewusstsein kann so gestärkt werden. Die natürliche psychische und physische Abwehrkraft darf zunehmen.

 

Das achte Brokat nennt sich Bèihòu qī diān bǎi bìng xiāo und heißt übersetzt: Sieben Mal heben, 100 Krankheiten vertreiben. In diesem einfachen Duanjin werden die Fersen angehoben und das Gewicht wieder fallen gelassen. Ein Energieimpuls kann so von unten nach oben durch den ganzen entspannten Körper ausgelöst werden. Das Nervensystem, insbesondere das Rückenmark und das Gehirn erhält so einen Reiz, der belebend auf alle Körpersysteme wirken kann.

 

Die Wirkung von Baduanjin lässt sich so auf drei Ebenen verstehen:

  1. Körperlich
  2. Energetisch
  3. Geistig

Nach chinesischem Verständnis manifestiert sich das Qi in allen drei Bereichen in unterschiedlicher Dichte, durchdringt und belebt sie.
Die Prinzipien sind:

  • Wahrnehmenvon Qi über den Atem
  • Bewusstes Bewegen von Qi und Körper
  • Qi und Körper systematisch in alle Richtungen bewegen
  • Vom Einfachen zum Komplexeren
  • Kräftigen von Wei-Qi, der Abwehrenergie und Erhöhen/Bewahren des Speicher-Qi
  • Visualisieren für die archetypische Ebene
  • Kontrolle über das autonome Nervensystem ausdehnen
  • Gesundheitstrance induzieren

Die Vorteile von Baduanjin sind:

  • Einfachheit
  • Systematik
  • Variationsbreite
  • Sie können kurz ausgeführt werden
  • Eine besondere Fitness ist nicht erforderlich
  • Einzelne Übungen können für sich geübt werden
  • Bahnt den Weg zur Meditation

Persönliche Meinung & Erfahrung
Seit ca. 34 Jahren übe ich Yoga und seit 41 Jahren Kampfkunst. Qigong habe ich mit Anfang zwanzig als Teil eine kampforientierten Taiqi kennengelernt. Die Prinzipien des Qigong vom Visualisieren und Wahrnehmen von Qi sowie dem freien Fluss der Bewegung konnte ich schon früh integrieren. Der wohltuende Effekt war sofort spürbar. Im Zuge meiner Heilpraktikerausbildung mit Schwerpunkt Traditionelle Chinesische Medizin lernte ich das therapeutische Qigong und vertiefte die Baduanjin, die mich sofort durch ihre Einfachheit und Schönheit anzog. Mein Staunen war groß über die tiefe Verbindung mit der gesamten chinesischen Gesundheitslehre, die zum großen Teil auf Prävention beruht, nach dem Leitbild: Löse die Probleme, wenn sie klein sind. Inzwischen sind sie ein fester Bestandteil meiner regelmäßigen Routine. Vor allem im Freien sind die Übungen eine große Freude und ich fühle mich nach jedem Mal verjüngt. Therapeutisch setze ich die Übungen ein, um Prellungen, Zerrungen, Gelenkthemen und Faszien zu behandeln. Mein persönliches Thema liegt dabei auf Entlastung für die Knie, Schulter und Lendenwirbelsäule. Je mehr ich mich damit befasse, desto mehr bewundere ich die Übungen. Mein eigenes Fazit wäre: Aus meiner Praxis nicht mehr wegzudenken.

 

Zusammengefasst
Baduanjin kann als umfassende Gesundheitsform bezeichnet werden, die sich über zwei Jahrtausende lang im asiatischen Raum bewährt hat. Sie darf als Essenz des Qigong und als eine Manifestation der TCM betrachtet werden. Durch ihre Einfachheit, Ausgewogenheit und den langsamen und fließenden Bewegungen, die ihr Wahrzeichen sind, kann sie von jedem mit Gewinn ausgeführt werden. Das kann besonders für Menschen mit Einschränkungen nützlich sein, da sie weder eine besondere Kraft noch Beweglichkeit voraussetzen. Niemand sollte dies geringschätzen, denn jede*r Mensch kennt Krankheit und Schwäche. Dann schlägt vielleicht die Zeit für diese alte verjüngende Übung. Ihre Unscheinbarkeit lässt sie glänzen. In der Einfachheit ist Tiefe. Baduanjin ist eine Perle für die Gesundheit.

NEU Baduanjin - 8 Brokate

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Das Video ist gedacht als Lernhilfe für zu Hause.

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