„Was ist die effektivste Kampfkunst?“ höre ich oft von Interessierten. Da dämmert mir die Frage: Würde man selbiges auch im Tierreich fragen? Ist beispielsweise ein Wolf effektiver als ein Adler? Oder ein Tiger erfolgreicher als ein Hai?
In der Selbstverteidigung geht es um Anpassungsfähigkeit. Mir kommt Darwins „Survival of the Fittest” in den Sinn: Wer sich am besten anpassen kann, überlebt. Das lässt sich vielleicht auch fassen mit: Tu, was nötig ist, und wirf alles andere über Bord. Das bedeutet auch, die eigene Unversehrtheit zu bewahren, Deeskalieren und falls nötig die Angriffsfähigkeit des Aggressors eindämmen. Das Recht unterstützt dies. In Deutschland gilt der Rechtsgrundsatz „Recht muss Unrecht nicht weichen” ein, der noch aus der Römerzeit stammt. Ebenso heißt es im Strafgesetzbuch: "Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig (StGB § 32)".
Koryu, die alte Strömung, tradiert mit den japanischen Kriegskünsten die Selbstverteidigung, die sich auf den mittelalterlichen Schlachtfeldern des Sengoku-jidai (1477–1573) bewährt haben. Bujinkan Budo Taijutsu (BBT) entstammt dem. Takamatsu Toshitsugu, auch bekannt als der „mongolische Tiger” und letzter Shinobi, legte als Oberhaupt von neun Kriegskünsten den Grundstein dafür. Sein Schüler Masaaki Hatsumi hat diese Methode international verbreitet. Dieser Stil setzt auf Anpassungsfähigkeit, um der Komplexität des Kampfes zu begegnen. Er verbindet Prinzipien von Bujutsu und Ninpo und legt den Fokus auf verdeckte Selbstverteidigung.
Selbstverteidigung ist jedoch kein Selbstzweck. Es geht auch darum, die Kontrolle zu bewahren, zu kämpfen, wenn man kämpfen muss, und zu flüchten, wenn man flüchten muss. Es ist ein Bestandteil von Budo, dem Weg der Kriegskunst. Das japanische Zeichen „Bu” steht für „Militär” und symbolisiert eine Hand, die einen Speer abwehrt. „Do” steht für „der Weg” und ist die Einladung zu handeln. Selbstverteidigung kann auch ein Weg sein, einen Kampf zu beenden.
Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen - Hatsumi-sensei zitiert oft einen Leitgedanken aus der Gyokko-ryu Kosshijutsu: „Besiege den Feind, aber schone sein Leben”. So kann Budo, Koryu und Selbstverteidigung ein Weg zum Überleben als auch ein Beitrag für die Zukunft sein. Eine effektive Kampfkunst fördert die Fähigkeit zur Anpassung, Kreativität und Freiheit. Damit wäre meine Antwort auf die Frage, welche die effektivste Kampfkunst ist: Du selbst.
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