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Hitori Keiko - Solo Training

Hitori Keiko 一人稽古 ist der Weg das Schwert des Selbststudiums zu polieren. Der Ausdruck besteht aus den vier Worten Hi „allein“, Tori „Mensch“, Kei „fortsetzen“, Ko „Bewährtes“; wörtlich übersetzt „allein Mensch bewährtes (Wissen) fortsetzen“. Alternativ wird es auch übersetzt als „das Altbewährte polieren“. Keiko ist also mehr als nur Solo Training. Ko beinhaltet das tradierte Wissen, das Isshi Soden, in direkter Vermittlung vom Lehrer an den Schüler, weitergegeben wurde. Es sind die Techniken, die sich im Einsatz bewährt haben oder im Training über einen langen Zeitraum überprüft wurden. Hitori Keiko kann damit als persönlicher ‚Ökocheck‘ begriffen werden. Sein Wesen ist die unabhängige praktische Überprüfung mit Verstand, Schweiß und Herz.

In der japanischen Bushi-Geschichte gibt es zahlreiche Beispiele wie sich Budō durch Hitori Keiko entwickelt hat. Populäre Persönlichkeiten sind Iizasa Chōisai Ienao, Minamoto no Yoshitsune oder Miyamoto Musashi. Sie gelten als Kensei „Schwertheilige“, oder als durch die Kriegskunst Satori „Einsicht“ erlangte. Kenjutsu ist dabei das Synonym für Kampfkunst. Das Katana ist die Seele des Samurai, heißt es.

Iizasa Choisai Ienao (1387-1488) ist Gründer einer der ältesten Kōryū, dem Katori Shintō Ryū, das einen großen Einfluss auf viele andere Kampfkunstlinien hatte und als immaterieller japanischer Kulturschatz gilt. In der Legende heißt es, dass Iizasa im Alter von 60 Jahren 1000 Tage am Katori Schrein trainierte und Satori erlangte. Danach gründete er seine Schule. Minamoto no Yoshitsune (1159-1189) ist ein berühmter Prinz, der in den Genpei Kriegen diente und von dem es heißt, er sei von einem Tengu in den Bergen, einem übernatürlichen Wesen, im Schwertkampf unterrichtet worden. Miyamoto Musashi (1584-1645) zog sich am Ende eines ereignisreichen Lebens 1643 bis 1645 in eine Höhle zurück, wo er als Eremit an seinem Werk Gorin no Sho „das Buch der fünf Ringe“ arbeitete, das die Jahrhunderte überdauern sollte, und kurz darauf starb.

In Musashis Duellbiografie von geschätzten sechzig ungeschlagenen Kämpfen, habe es vermutlich eines gegeben, das unentschieden endete. Sein Kontrahent war Musō Gonnosuke Katsuyoshi, ein Samurai mit adeliger Herkunft. Er wurde zunächst in einem Duell von Musashi besiegt. Desillusioniert zog sich Katsuyoshi an einen Shintō-Schrein am Berg Homan zurück, wo er hart trainierte. Sein innigster Wunsch war eine Revanche. Eines Tages fiel er vor Erschöpfung in eine Trance, wo ihm ein Kind erschien und ein Geheimnis anvertraute: „Sei dir des Solar Plexus mit einem Stock bewusst“. In seinem zweiten Duell, so die Legende, erzwang er mit einem Jō, einen Holzstab von ca. 128-140 cm Länge, ein unentschieden – die Densho seiner Schule spricht von einem Sieg. Er gründete daraufhin seine Schule ‚Musō Shintō Ryū‘, das für sein Jōjutsu bis heute internationale Anerkennung genießt.

Toshitsugu Takamatsu ō Sensei (1889-1972) auch bekannt als Mōko no Tora „der mongolische Tiger“, zog sich nach seinem Aufenthalt in Korea und China Anfang der 1910er Jahre zurück. Er litt an Beriberi, einer Thiaminmangelerkrankung, und Bandwürmern, mit lebensbedrohlicher Schwäche und Durchfall. Takamatsu richtete sich in den Bergen von Mayasan in einer Hütte von ca. 4 x 4 m ein, ernährte sich von rohen braunen Reis und widmete sich der Askese. In den Bergen erschien ihm ein alter Yamabushi, der ihn mit einem Kuji bei seiner Heilung half. Daraufhin änderte er seinen Jugendnamen Jutaro in Kikaku „Dämonenhorn“. Etwa ein Jahr blieb er in der Abgeschiedenheit und feilte an seinen Techniken bevor er nach China zurückkehrte, wo er viele Abenteuer erlebte.

Takamatsus zweiter langer Rückzug geschah nach dem zweiten Weltkrieg als Zeit der Läuterung, wo er in ein abgelegenes Kloster eintrat und später der Abt des Klosters wurde. Er blieb dort drei Jahre.Budo als Weg der Übung enthält stets Zeiten von Hitori Keiko. Diese Phasen sind geprägt von Rückzug, Einfachheit und Training. Diese Zeit ist eine Entwicklungszeit. Es ist eine Zeit, in der Überflüssiges abgeworfen und Konzentration geübt wird. Ein japanisches Sprichwort lautet: Der Anfang ist einfach, weitermachen ist schwer.

Der größte Feind des Budokas ist die Trägheit. In Japan und Deutschland haben Wohlstand, Komfort und Luxus Einzug gehalten. Hatsumi Sensei sagt dazu „die Menschheit hat Fortschritte gemacht – das ist nicht notwendigerweise gut“. Zivilisationserkrankungen z. B. haben erheblich zugenommen. Rückenerkrankungen sind die Volkskrankheit Nummer Eins in Deutschland. Die häufigsten Todesursachen sind Herz- Kreislauferkankungen, Schlaganfälle, Krebs und Erkrankungen des Atemsystems. Zweidrittel der deutschen Männer und über die Hälfte der Frauen sind übergewichtig. Bewegungsmangel und übermäßige Nahrungsaufnahme gelten als Hauptursachen.

Einen besonderen Zuwachs erleben psychische Krankheiten wie Depression, Angst- und Zwangsstörungen. In Zeiten von Corona verstärken sich diese Themen: durch den Zwang Zuhause zu bleiben, Homeoffice, Bewegungsmangel, erhöhter Medienkonsum, Überfluss an Essen und Alkohol.

Hitori Keiko ist ein bewährtes Budō Werkzeug, um aus der Abwärtsspirale auszusteigen. Es stärkt die Willenskraft, festigt das Selbstvertrauen, die Basis für Selbstwirksamkeit und Stärke. Es ist eine unsichtbare Stärke, die das eigene Leben mit der inneren und äußeren Natur ausgleicht. Alle Energien werden auf das Selbst gelenkt, ohne störende Einflüsse von außen. Negatives wie Positives kommen an die Oberfläche und verlieren ihre illusionierende Kraft. Es ist ein Prozess der Reinigung. Durch Hitori Keiko wirst du dein eigener Uke, Senpei und Sensei. Deine eigene innere Weisheit kommt so zum Ausdruck. Trainiere ohne Erwartungen und durch hartes Training erblickst du vielleicht den Zipfel von Satori.

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