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Zu Besuch im Ashram - Indien 2024

„An der Quelle ist das Wasser am reinsten.“

Es war meine vierte Reise zum Ashram in Rikhia nach Indien. Zum ersten Mal reiste ich 2004, zum Rajasuja Maha Yajna, einem Feuerritual zum Wohle der Region. Seitdem hat sich der Ort rasant sozial, bildungsweisend und ökonomisch weiterentwickelt – noch vor fünfzig Jahren gab es keine Elektrizität. Inzwischen haben Smartphones und E-Taxis Einzug gehalten.

 

Wir, eine 23-köpfige Reisegruppe aus Deutschland kamen müde gegen 03:30 Uhr im Ashram an – der Zug hatte circa 8 acht Stunden Verspätung. Unser Reiseleiter Swami Marutdeva meinte, er habe das so noch nie erlebt. Nach einer kurzen Nacht wurden wir per Ashram-Taxi zum Essen zur Annapurna-Küche, wo es leckeres indisches Essen, gab gebracht und weiter zum Akhara (Ritualplatz) für die Vorbereitungen zu Shivaratri; aufgrund der Distanzen zwischen den verschiedenen Ashram-Komplexen organisierte der Ashram einen eigene Personenbeförderung. 

 

Shivaratri bedeutet „Die Nacht Shivas“. Es ist ein traditionelles indisches Fest zu Ehren Shivas, dem großen Yogi und Symbol für Bewusstsein. Der Feiertag richtet sich nach dem indischen Mondkalender und findet am 14. Tag des Monats Phaguna, nach westlichem Kalender Ende Februar/Anfang März statt. 

 

Swami Suryaprakashananda, der Kopf des Geschäftsbetriebs, berichtete von den bunten Ashramaktivitäten. Die Unterprivilegierten des Panchayat, der dörflichen Region, der etwa 18 Dörfer angehörten, werden unterstützt. Insbesondere die Bildung der Kanyas (Mädchen ca. 6 bis 16 Jahre), als zukünftige Mütter Indiens, ist ein vitales Anliegen. Diese werden unterrichtet in Englisch und Informatik, in den klassischen Schriften wie die Bhagavad Gita und Ramayana sowie Yoga. Dazu gibt es Schulmittel, Computer, Bekleidung und Verpflegung. Weitere Aktivitäten sind die Veranstaltung traditioneller Feste, Fortbildungen, Ausbildungen, Medizin-Camps und Sportfeste für Jugendliche, um einige zu nennen. Swami Suryaprakashananda betonte, dass es keine Wohltätigkeit sei, sondern ein Wirken im Geiste von Yoga. Über allem schwebte Swami Sivanandas Motto Serve Love Give.

 

Am nächsten Tag fand Shivaratri statt. Es waren mehr als tausend Gäste anwesend, u. a. aus Deutschland, Italien und Indien. Im Laufe des Tages wurde feierlich viermal Aradhana, das Reinigen und Verehren, am Shivalingam vollzogen. Der Shiva Lingam ist ein ovales Objekt, das eingebettet in die Shakti Yoni, Bewusstsein und Energie symbolisiert. Dazu chanteten Pandits aus Varanasi, der Stadt Shivas und ein fünfter führte das Waschen und Schmücken des Shivalingams aus. Weiteres Programm waren Kirtan (Mantra singen), Einweihungen und Tänze der Kanyas. Den Abschluss bildete die Verehrung von Swami Satyananda, der Gründer des Ashrams, an seinem Grabmal. Bis in die Nacht wurde gesungen und getanzt.

 

Swami Satsangi erläuterte, dass das Aradhana hier keine religiöse Motivation habe. Die Verehrung diene dem Kontakt mit dem Unmanifesten, dem Formlosen, dem Unbewussten. Das Geschehen folgte dabei einem klaren Ablauf. Z. B. dienten die Mantras und Yantras dem Erhöhen des Bewusstseins. Gewohnte Muster können abgelegt und das Erfahren des höheren Selbst ermöglicht werden. Mir kam, dass das Ritual ein Werkzeug ist, das eine symbolische Brücke zu den tiefern Kräften der Psyche schlägt. Das gemeinsame Chanten und Singen sowie Wahrnehmen des Aradhana mit allen Sinnen konzentrierte Bewusstsein und Energie – Jemand verglich es mit einem Laserstrahl.

 

Die nächsten Tage waren geprägt von Karma Yoga (absichtsloses Tun) und Seva (selbstloses Tun). Das zeigte sich in alltäglichen Arbeiten wie Putzen, Reinigen, Lager, Gartenarbeit, Pflege des Ritualplatzes, Computerarbeiten und medizinische Produkte ordnen. Ein typischer Tag konnte wie folgt aussehen:

 

06:00-07:30 Yoga & Meditation

08:00-08:30 Frühstück

09:00-11:00 Karma Yoga/Seva

11:30-12:00 Mittag

12:00-13:30 Freie Zeit

14:00-15:00 Yoga Nidra & Nada Yoga

15:30-16:30 Karma Yoga/Seva/Satsang

17:30-18:00 Abendessen

21:00 Tagesende

 

Karma Yoga, das Tun, ohne an die Früchte des Handelns zu denken, ist eines der klassischen Yoga-Wege. Meine Lehrerin Acharya Swami Prakashananda Saraswati sagte, dass sie glaube, dass man diese Erfahrung nicht außerhalb eines Ashrams machen könne. Das Arbeiten hatte auch einen weiteren Aspekt: Die durch Yoga freigesetzte Energie kann sich so in einen positiven Ausdruck verwandeln. Es kann eine Methode sein, um Selbstbezogenheit abzutragen. Kleine Handlungen der Freundlichkeit können ein Anfang sein. Swami Sivananda sagte einmal: „Freundlichkeit ist wie ein heilender Balsam. Es lindert Leiden... Kleine Wassertropfen bilden den mächtigen Ozean. Und so bilden kleine freundliche Taten einen Ozean an Wohlwollen.“

 

Ein Höhepunkt waren die Satsangs mit Swami Satsangi, der Piethdishwari (Ortsvorsteherin). Sie ist das Herz des Ashrams. Ihr Leben ist geprägt von Sadhana (yogische Übung). gegenüber. Inzwischen ist sie 71 Jahre alt und hat sich von der Geschäftsführung zurückgezogen. Sie folgt den Fußstapfen ihres Meisters. Fragen beantwortete sie mit Natürlichkeit und Klarheit: Ihre Stimme hatte einen glockenhellen Beiklang, die Sätze waren moduliert und pointiert. Beim Satsang saß ich in der zweiten Reihe und es war als säße ich einem Fusionsreaktor. Gleichzeitig wirkte sie berührend bescheiden. Als das Thema auf unsere desaströse Zugverspätung fiel, rüffelte sie nicht ohne Humor unseren Reiseleiter und sagte, dass es jetzt auch Flüge nach Deoghar gäbe – Hurra!

 

Nach zehn Tagen digitalfreier Zeit im Ashram ging’s zurück. Mein Fazit: Das Wasser ist am reinsten an der Quelle. Die Reise hat meine Definition von Yoga aktualisiert. In unserer schnelllebigen Zeit, in dem persönliche Erfahrungen zugunsten digitaler Information verdrängt, die Länge unmittelbarer menschlicher Kontakte durch das Mehr medialer Kontakte verkürzt, und das Kommerzialisieren von Yoga bei Abnahme an persönlicher Einsicht wächst, scheint mir diese Reise wie ein Jungbrunnen. Swami Satsangi lud ein, jederzeit den Ashram zu besuchen und in den yogischen Lebensstil einzutauchen. Einer der Mitreisenden sagte: Ich komme, um meinen Tank zu füllen. Ich kann sagen: Mein Tank wurde gefüllt.

 

 

Anmerkung

Reiseleiter Swami Marutdeva bietet Mitte Februar 2025 erneut eine Retreatreise nach Indien an. Bei Interesse melde dich gern unter: kontakt@eiryu.de

 

Swami Satyasangananda Saraswati

Swami Satyasangananda Saraswati wurde 1953 in der Stadt Chandernagore, Westbengalen, Indien, geboren. Trotz moderner Bildung und Erziehung entschied sie sich für das traditionelle Leben der Entsagung und Sannyasa. Sie wurde am 6. Juli 1982 im Ganga Darshan, Munger, in die Dashnami-Tradition des Sannyasa eingeweiht. Swami Satsangi ist eine inspirierende Lehrerin und Autorin. Sie ist Autorin bedeutender Texte über Yoga und Tantra, wie „Sri Vijnana Bhairava Tantra: The Ascent“, „Karma Sannyasa“, „Light on the Guru and Disciple Relationship“ und „The Descent“. Eines ihrer bekanntesten Bücher, Tattwa Shuddhi: The Tantric Science of Inner Purification, beschreibt eine wesentliche Praxis für innere Erfahrungen, die sie selbst entwickelt und vorgestellt hat. Am 1. Januar 2007 wurde sie zur Piethadhishwari von Rikhiapieth ernannt.

 

Ashram Adresse

Rikhiapeeth P.O. Rikhia Dist. Deoghar, Jharkhand, 814113 India.

Tel: +91 9102699831

Foto: Kolkata, Park

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